Dr. Carola Merk-Rudolph, die Fraktionsvorsitzende der SPD Ein Ritual im Kalender der Kommunalpolitik sind die Haushaltsreden der Fraktionen. Dort werden die Vorstellungen der einzelnen Parteien vorgestellt. Oft sind verschiedene Positionen, die sich aus den Grundlagen der Parteien ergeben, schon erwartbar, bei der SPD geht es um Sozialpolitik, bei den Freien macht es natürlich der Markt, bei den Konservativen soll möglichst alles so bleiben wie bisher und ein Quentchen in die Zukunft, bei der Alternative ... nein, diesen menschenverachtenden Mist werden wir nicht hier abbilden.
In diesem Jahr ist vieles anders. Die Weltlage zwingt auch die Kommunalpolitik zum dauernden Reagieren, das Defizit der Kliniken binden soviele Mittel, dass man nicht gestalten kann. Die SPD-Kreistagsfraktion hat zum ersten Mal seit vielen Jahren den Kreishaushalt abgelehnt. Kommunale Haushalte sind immer das Ergebnis von Kompromissen, doch dieses Mal hat es keinen gegeben. Somit lehnen wir den Haushalt ab. Wer sich für Einzelheiten interessiert, findet die Haushaltsrede unserer Fraktionsvorsitzenden Dr. Carola Merk-Rudolph nachfolgend.
Sehr geehrter Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,
eine so turbulente und wenig besinnliche Adventszeit für die Verwaltung und den Kreistag hat es wohl selten gegeben. Das Regierungspräsidium hat den Entwurf des Landratsamtes und der Kämmerei abgelehnt. Statt Besinnlichkeit brennt seit der Ablehnung des Haushalts und dem daraufhin kurzfristig vorgelegten „Spar-Kreishaushalt“ sinnbildlich der Adventskranz.
Wir erkennen selbstverständlich die Dringlichkeit, einen tragfähigen Kreishaushalt für 2025 vorzulegen und wir stehen dazu, dass der Haushalt des Landkreises saniert und die Finanzen auf eine solide Basis gestellt werden müssen. Doch die Dynamik, die das Landratsamt mit dem Eingreifen aus Stuttgart ausgelöst hat, hätte nach unserer Auffassung durch früheres Handeln, schon vor der ersten Einbringung und frühzeitigere Gespräche abgemildert werden können und zu einem tragfähigen Haushalt geführt.
Unsere Fraktion kritisiert, dass der Kreistag keine ausreichende Gelegenheit hatte, den Haushaltsentwurf und vor allem die Folgen der Einsparungsvorschläge umfassend in den Ausschüssen in einer weiteren Beratungsrunde zu diskutieren. In keinem Einsparungsfall hat das Landratsamt uns die entstehenden Konsequenzen dargestellt. Dadurch ist der Haushalt – aus unserer Sicht – unter erheblichem Zeitdruck mit „heißer Nadel“ gestrickt worden. Leider führte dieser Druck zu Einsparungen, die insbesondere gesellschaftliche Teilhabe und nachhaltige Infrastruktur stark beeinträchtigen. Die SPD-Fraktion hatte Alternativen vorgeschlagen, die auch Einsparungen in anderen Bereichen untersucht hätten. Diese Vorschläge fanden jedoch keine Beachtung.
Besonders betroffen von den Einsparungen sind der Sozialbereich und der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). Beide gehören, gemeinsam mit den Kliniken, zu den großen Ausgabebereichen des Haushalts, und ihre Bedeutung für die Lebensqualität im Kreis kann nicht genug betont werden. Sozialleistungen und öffentliche Verkehrsmittel sind elementare Bestandteile der Daseinsvorsorge: Sie gewährleisten Zugang zu Bildung, Arbeit, Gesundheit und gesellschaftlicher Teilhabe. Kürzungen in diesen Bereichen treffen insbesondere sozial schwache Bevölkerungsgruppen, aber auch unsere Leistungsträger sind betroffen und es werden soziale Ungleichheiten verschärft.
Konkrete Einschnitte im Sozialbereich:
Stellenstreichungen in der Schuldnerberatung, Kürzungen bei Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen, massive Einsparungen im Jobcenter, das Ausbleiben von Tarif- und Sachkostensteigerungen in Einrichtungen der Eingliederungshilfe – all das belastet weite Teile der Gesellschaft. Das trifft besonders die Schwächsten der Gesellschaft, diejenigen, die nicht das Glück hatten, in privilegierte Verhältnisse hineingeboren zu werden, also mit dem sprichwörtlichen Goldenen Strampelanzug auf die Welt kamen. Der SPD geht es aber auch um all die Menschen, die sich heutzutage Sorgen machen müssen, dass ihr Glück, ihr mühsam erarbeitetes Wohlergehen und ihr Fortschritt vielleicht nicht von Dauer sein könnte.
Gerade in dieser Weihnachtszeit machen sich viele Menschen Gedanken, wie sie ihren Arbeitsplatz sichern, ihre Häuser weiter finanzieren, wie sie häuslicher Gewalt entkommen können oder wie sie ihren Kindern einen guten Start in die Zukunft geben können. Kürzungen bei der benötigten Förderung einzelner, bei Tafelläden oder Hilfsangeboten und beim Zugang zur Bildung treffen diejenigen, die ohnehin am meisten zu kämpfen haben.
Einsparungen mit Weitblick nötig:
Auch wir sehen im Bereich des ÖPNVs Einsparpotentiale. Allerdings dürfen Kürzungen nicht dazu führen, dass ländliche Gebiete gegen städtische Verkehre ausgespielt werden oder umgekehrt. Wir kämpfen für die gesamte Bevölkerung im ganzen Ostalbkreis. Verschlechterte Anbindungen treffen Schüler, ältere Menschen, Berufspendler und Personen ohne Auto. Zudem könnten sie mehr Menschen dazu zwingen, auf private Fahrzeuge umzusteigen. Das belastet nicht nur die Umwelt, es zieht auch Staus und höhere Infrastrukturkosten nach sich.
Notwendigkeit umfassender Einsparungen:
Unserer SPD-Fraktion ist bewusst, dass die „fetten Jahre“ des Kreises für die nächsten Jahre vorbei sind und wir den Gürtel enger schnallen müssen. Wir wissen sehr gut, dass auch zukünftig viele Einsparpotentiale und Kürzungen durchgeführt werden müssen. Doch Einsparungen müssen gerecht und mit Bedacht erfolgen. Wir hatten daher vorgeschlagen, in allen 45 Geschäftsbereichen des Landratsamtes systematisch nach Einsparpotentialen, Synergieeffekten und vor allem Effizienzsteigerungen zu suchen.
Gerade im Bereich der Prozessoptimierung sehen wir ein erhebliches – wenn auch langfristig angelegtes – Einsparpotenzial. Voraussetzung dafür ist allerdings die Bereitschaft des Kreises, sich kritisch mit seinen eigenen Strukturen auseinanderzusetzen. Das ist sicherlich unbequem, aber aus unserer Sicht zwingend erforderlich, um Bereiche nicht totzusparen, sondern die Krise als Chance für eine grundlegende, langfristige und nachhaltige Veränderung der eigenen, bisweilen nicht effizienten Abläufe und Strukturen zu nutzen. Bei der Optimierung von Prozessen zu sparen, geht daher in die völlig falsche Richtung.
Der jüngste BiFi-Ausschuss hat gezeigt, dass geplante Stelleneinsparungen, wie im Tourismusbereich, ohne weiteres durch andere Personalstellen ersetzt werden können. Auch Mitgliedsbeiträge in Höhe von 125.000 Euro bleiben erhalten. Wo wird denn hier im Gegenzug eingespart?
Dies führte zu kritischen Fragen seitens der Bevölkerung: Sind bunte Tourismusbroschüren wirklich wichtiger als Hilfsangebote für Menschen in Not? Diese Frage möchten wir hier weitergeben. Dies umso mehr, als es parallel dazu in fast allen Teilen des Ostalbkreises weitere bestehende Tourismusverbände gibt.
Signalwirkung des Kreishaushalts:
Ein Kreishaushalt setzt immer ein deutliches Zeichen. Werden Kürzungen in sensiblen Bereichen wie sozialen Absicherungen oder dem ÖPNV ohne kritische Diskussion akzeptiert, könnte dies den Eindruck erwecken, dass diese Bereiche weniger wichtig sind. Eine Ablehnung des vorliegenden Haushaltsentwurfs ist für uns hingegen ein klares Signal: Soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und öffentliche Mobilität sind äußerst wichtig, hier dürfen Einsparpotentiale weder im Eilverfahren noch unter immensem Zeitdruck verhandelt werden – insbesondere dann, wenn viele Fragen offenbleiben, entscheidende Fakten noch fehlen und die tatsächlichen Auswirkungen der geplanten Kürzungen unklar sind.
Vor diesem Hintergrund kann die SPD-Kreistagsfraktion dem Haushaltsentwurf 2025 nicht zustimmen.